Dienstag, 1. November 2011

Sprachkurs in den Bergen



So, hier ist mal wieder ein Lebenszeichen von mir - ich bin aus den Bergen von meinem Sprachkurs zurueck und weile nun wieder in Tipitapa in meinem Projekt. Ab jetzt werde ich also regelmaessiger berichten koennen.

Die letzten drei Wochen habe ich in den Bergen verbracht - ohne fliessend Wasser und Internet, dafuer aber ab und zu mit Strom von einem Solar-Panel auf dem Dach. Aber der Reihe nach:

Die Hinfahrt - a bumpy bumpy ride!
Am Wochenende vor meinem Sprachkurs bin ich mit Anja und Nico (zwei meiner Freiwilligen-KollegInnen) in den Norden Nicaraguas nach Esteli gefahren um uns die Stadt anzuschauen und um von Esteli am Sonntag Morgen nach El Lagartillo (die Communidad in den Bergen, in der ich meinen Sprachkurs gemacht habe) aufzubrechen. Anja und Nico haben sich noch ein wenig die Stadt angeschaut und sich dann auf den Rueckweg nach Tipitapa gemacht.

Auf der Karte sieht die Strecke von Esteli nach El Lagartillo gar nicht weit aus, etwa 25 Kilometer sind es. Also habe ich mich Sonntag Morgen um 7 Uhr (!) in den Bus gesetzt - um dann gute drei Stunden spaeter an einer Kreuzung anzukommen, von der aus es noch mal ein strammer Fussmarsch von gut 30 Minuten ueber Stock, Stein und Matsch sein sollte. 

Die Strasse (die diesen Namen eig. Nicht verdient) nach Lagartillo war teils ein besserer Waldweg, teils ein Felspiste, sodass ich den ueberwiegenden Teil der Strecke auf und abhuepfte und damit beschaeftigt war nicht vom Sitz zu fallen. Dennoch war ich froh, dass ich einen Sitzplatz im Inneren des Busses ergattert hatte und nicht mit dem Dach (!) vorlieb nehmen musste. Der Bus kaempfte sich also aechzend durch Fluesse und ueber Felsen - einige Male kurz vor dem Umkippen. Nachdem wir dann einige kleinere Bergsiedlungen passiert hatten, leerte sich der Bus ein wenig und wir erreichten nach gut drei Stunden Fahrt mein Zwischenziel. Gluecklicherweise wartete dort auch schon ein Bewohner des Dorfes (der Sprachschulkoordinator) auf mich und zusammen machten wir auf in die Communidad und zu meiner Gastfamilie.

Die erste Woche in El Lagartillo 
Die erste Woche Woche war ich krank – eine recht heftige Grippe hatte mich erwischt (vermutlich war der Temperatursturz in Verbindung mit dem ganzen Regen Schuld). Dennoch besuchte ich jeden Tag meinen Unterricht, zwei Stunden Einzelunterricht vormittags und zwei nachmittags.
Mein Zimmer bestand aus einem Bett, einem kleinen Tisch sowie einer Ablagemoeglichkeit fuer meine Kleidung und einem Mosquitonetz.

Zum Duschen habe ich mir morgens Eimer mit Wasser aus einem groesseren Becken aufgefuellt. Mit dem Eimer gings dann zurueck in die kleine gemauerte Dusche (im Freien versteht sich). Dort gibt es dann kleine Schalen mit denen man das Wasser aus dem Eimer schoepfen kann. Als Toilette dient eine sog. Latrina, ein Plumpsklo, das sich etwas weiter hinten im Garten befindet. Ebenfalls gemauert und mit einem Wellblechdach sowie einer Tuer versehen.

Gekocht wird hier mit einem wie ich finde wunderschoenen, gemaurten und mit Lehm verputzten Holzofen. Unten ist ein Schacht, in den das Brennholz eingelegt wird und oben werden auf zwei Oeffnungen die Toepfe platziert.

Ueberschattet war die erste Woche von massiven Regenfaellen. Es regnete quasi 24 Stunden – mit nur kurzen Unterbrechungen. Daher musste auch mein Unterricht, der eig. in kleinen Holzhuetten stattfindet in die Dorfschule bzw. die kleine Bibliothek verlagert warden.

Die Wege, die durch die Communidad fuehren glichen die meiste Zeit eher kleinen Baechen und Fluessen. Der heftige Regen hat in Nicaragua und auch in den Nachbarlaendern schon zu einigen Todesfaellen gefuehrt und viele Familien kaempfen mit Wasser in ihren Haeusern oder muessen diese sogar verlassen.

Die zweite Woche
Die zweite Woche regnete es schon etwas weniger – aber immer noch recht viel. Wundervoll ist hier einfach in der Natur spazieren zu gehen und deren Vielfalt auf sich wirken zu lassen. Hier gibt es riesige Pflanzen mit Blueten in den verschiedensten Farben, von grell blau bis hell-rosa. Um diese Pflanzen herum tummeln sich vor meinem Zimmer regelmaessig die Colibris.

Und endlich habe ich mich auch mit meiner Familie ein wenig familiarisiert und angenaehert. In meinen Unterrichtsstunden ging es diese Woche viel um Geschichte – die Geschichte Nicaraguas und die auch die Geschichte Deutschlands, ueber die mich meine Professorin ein ums andere Mal ausfragte. Erschreckend und ein wenig schade ist wirklich wie wenig die Menschen hier ueber Hitler und den zweiten Weltkrieg wissen.

Ein anderes grosses Thema – nein, wohl eher das alles beherrschende Thema – sind zur Zeit die Wahlen am 6. November (dazu die Tage wahrscheinlich noch ein ausfuehrlicherer Eintrag). Als aussichtsreichster Kandidat gilt der jetzige Praesident Daniel Ortega der Partei FSLN. Meine Communidad (und viele benachbarte Communidades auch) steht geschlossen hinter Daniel Ortega und der FSLN. Gewaehlt wird in einer benachbarten Communidad und der Weg dorthin wird mit Schlachtrufen und Canciones beschritten. Die Generalprobe dazu fand bereits letztes Wochenende statt – erfoglreich wie meine Mutter stolz berichtete.

Die dritte Woche
Meine Communidad ist sehr politisch. 1983 – waehrend des Contra-Krieges – liessen sich die ersten Bewohner hier zur Gruendung einer sog. Cooperativa nieder. Ein Zusammenschluss von Personen, denen von der Regierung Land zugeteilt wird, um dieses gemeinsam zu bewirtschaften. Nur kurze Zeit spaeter, am 31. Dezember 1984 attackierte die Contra die Communidad mit ca. 200 bewaffneten Contra-Kaempfern. Gluecklicherweise gelang es einem Bewohner einer benachbarten Communidad, den die Contra zuvor gequaelt hatte, den Contra-Kaempfern zuvor zu kommen und die Bewohner El Lagartillos zu warnen. Frauen und Kinder fluechteten in Richtung eines nahe gelegenen Flusses und nur einige Maenner, die Waffen hatten sowie einige Frauen und Kinder, die zu schwach waren um zu fluechten blieben in der Communidad zurueck.

Sechs Bewohner der Communidad starben im Gefecht mit den Kaempfern der Contra, darunter auch eine junge Frau. Die contra brannte die noch ganz neue Schule nieder, vernichtete Hab und Gut der Bewohner der Communidad sowie die gesamte Ernte. Danach zogen sie weiter – in Richtung einer anderen Communidad. Jedes Jahr am 31. Dezember wird zum Gedenken und zu Ehren der gefallenen Dorfbewohner ein grosses Fest gefeiert.  

Heute bewirtschaftet die Communidad ihr Land nicht mehr gemeinsam in Form einer Cooperativa. Die Landstuecke sind an die einzelnen Familien aufgeteilt worden, die sie jetzt eigenstaendig bewirtschaften. Auch gibt es heute in einigen Haushalten Strom vom Stromnetz. Andere Haushalte beziehen ihren Strom von einem Solar-Panel auf dem Dach. Auch Fernsehen gibt es heute in manchen Haushalten.

Auch die Communidad wird also langsam vom Wandel der Zeit eingeholt. An die Stelle gemeinsamer Gespraeache oder Spielerunden tritt nun immer oefter das (gemeinsame) Fernsehen. Nichtsdestotrotz geht die Zeit hier (zum Glueck) noch etwas langsamer, sodass immer Zeit fuer ein ausgiebiges Gespraech ueber das Wetter und Fachsimpeln ueber die naechste Ernte bleibt.


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